130 Jahre in Wuppertal:Der neue Döppersberg bringt die Stadt voran
Wuppertal erfindet sich immer wieder neu. Wesentliche Impulse geben die Umgestaltung der Nordbahntrasse und der neue Anschluss zwischen Hauptbahnhof und Innenstadt.
12.07.2017
130 Jahre in Wuppertal
Der neue Döppersberg bringt die Stadt voran

Von Johannes Busmann
Sie ist die 17. größte Stadt Deutschlands, wurde 1929 im Zuge der kommunalen Neugliederung gegründet und zählt heute knapp 360 000 Einwohner: Wuppertal. Eine wechselvolle und mitunter brüchige Geschichte hat an zahlreichen Stellen ihre Spuren hinterlassen, das Wachstum der Stadt beeinflusst und bis heute die Entwicklung und den besonderen Charakter der Stadt geprägt. Weder fruchtbare Böden, noch bedeutende Handelsrouten oder namhafte Herrscherhäuser finden sich entlang des Streckenabschnitts der Wupper, aus deren Tal sich die Stadt beidseitig des Flusses bis in die Höhenlagen emporgekämpft hat.
Stattdessen verstellte der Verwaltungsakt des frühen 20. Jahrhunderts den Blick auf eine Historie, die über die ehemals selbständigen Vorgängerstädte Elberfeld, Barmen, Vohwinkel, Cronenberg und Ronsdorf teils mehrere Jahrhunderte zurückreichte, im Bewusstsein der Bevölkerung und Stadtbild jedoch nur noch stückhaft lebendig geblieben ist. Um ein Verständnis für die sehr eigenartige Stadtentwicklung Wuppertals zu erhalten, hilft es, sich drei zentrale Einflüsse zu vergegenwärtigen.
Um 1800 war Wuppertal größer als Köln oder Düsseldorf
Elberfeld und Barmen entwickelten sich um 1800 zu führenden Zentren der Frühindustrialisierung. Es mag heute kaum noch vorstellbar sein, dass Wuppertal mit den Städten Elberfeld und Barmen im Jahr 1880 die größte Stadt im heutigen NRW war, größer als Köln oder Düsseldorf.
Die Villenviertel zeugen vom Reichtum der Industriellen im Tal
Vom Reichtum dieser Zeit zeugen noch heute die beeindruckenden Villenviertel, die alten Fabriken entlang der Wupper und zahlreiche repräsentative Bauten, wie die Historische Stadthalle und der älteste Bahnhof Deutschlands.
Die Wucht dieses unbändigen Wachstums führte in der Enge des Tals beide Städte in Bedrängnis. Sowohl die mangelnden räumlichen Entwicklungsmöglichkeiten als auch die Entfernung zum Rhein waren der Stadtentwicklung nicht dienlich. Vor dem Hintergrund einer zunehmend internationalen Produktions- und Transportwirtschaft verloren Barmen und Elberfeld zu Beginn des 20. Jahrhunderts an Einfluss. Firmen wie die Friedrich Bayer AG expandierten mit ihren Produktionsstandorten an den Rhein.
An den Glanz vergangener Tage vermochte Wuppertal daher auch nach Ende des zweiten Weltkriegs nicht mehr anzuschließen. Im Zuge des Wiederaufbaus nutzte man die Gelegenheit und baute mit der Bundesstraße B7 eine Verkehrsachse, die sich seither in Ost-West-Richtung durchs gesamte Tal der Wupper zieht und Barmen und Elberfeld erstmals vierspurig miteinander verband. Gedanken zur Gründung einer künstlichen neuen Mitte zwischen den beiden Stadtteilen hatte es wiederholt gegeben. Diese wurden jedoch nie umgesetzt. Stattdessen blieb Wuppertal eine Stadt mit zwei starken Zentren, welche sich bis in die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts gleichwertig entwickelten und den Charakter der Stadt bestimmten.
In den ersten Jahrzehnten nach Ende des zweiten Weltkriegs trugen die Nachfrage der Wirtschaftswunderjahre und die weitgehend stabile Einwohnerzahl über 400 000 dazu bei, dass beide Zentren prosperierten und ihre Funktionen und Angebote nahezu parallel entwickelten.

Unter den Vorzeichen einer zunehmenden Filialisierung im Handel und rückläufiger Bevölkerungszahlen ließen sich bereits in den 80er und 90er Jahren erste Anzeichen erkennen, dass eine gleichwertige Entwicklung der Cities so nicht dauerhaft möglich sein würde. Investitionen zur Modernisierung der Innenstädte in Remscheid und Solingen führten darüber hinaus zu einem Attraktivitätsverlust der Wuppertaler Zentren und schwächten die traditionelle Funktion als Oberzentrum des Bergischen Landes. In der Folge reduzierten große Handelsunternehmen ihr Angebot auf einen Filialstandort und trafen damit eine erste indirekte Entscheidung, Elberfeld zu priorisieren. Der Neubau von Rathaus-Galerie und City-Arkaden bestätigten diese Präferenz des Einzelhandels. Wiederkehrende Diskussionen führten schließlich auf Initiative der Industrie- und Handelskammer zur Umbenennung des Bahnhofs Elberfeld zum Hauptbahnhof Wuppertals.
Hält man sich diese Geschichte Wuppertals bis zum ausgehenden 20. Jahrhundert vor Augen, mag man ermessen, wie schwierig, aber auch notwendig die Entscheidung der Stadt Ende der 90er Jahre war, den wichtigsten Platz der Stadt, den Döppersberg, städtebaulich und verkehrlich neu zu gestalten.
Natürlich war intendiert, den größten städtischen Busbahnhof mit seinen zahlreichen Nebenhalteplätzen endlich zu modernisieren, die Innenstadt wieder oberirdisch an den Hauptbahnhof anzubinden, einen attraktiven Vorplatz und Zugang zum Bahnhof zu realisieren, ausreichende Parkflächen für den Individualverkehr zu schaffen, Barrierefreiheit für alle fußläufigen Verbindungen zwischen Schwebebahn, Bus, Bahn und Auto zu gewährleisten und viele weitere räumliche und funktionale Qualitäten zu verwirklichen.
Blick in die Zukunft: Stadtentwicklung
Vor allem aber sollte das große zentrale Projekt der Wuppertaler Stadtentwicklung das neue Tor zur Stadt werden und ein Signal zum Aufbruch nach innen und außen vermitteln. Mit diesem anspruchsvollen Maßnahme zur Stadterneuerung an zentralster Stelle verbindet die Stadt das Ziel, Impulse für Wuppertal zu initiieren, die weit über das eigentliche Baufeld hinaus reichen. Die Attraktivitätssteigerung der Elberfelder Innenstadt soll den Anspruch der Stadt als Oberzentrum des Bergischen Landes stärken.
Vor der nahenden Fertigstellung im Herbst 2018 bestätigt sich diese Entscheidung bereits durch zahlreiche privatwirtschaftliche Investitionen. Die dynamischen Veränderungen im Bereich des Handels werden durch Impulse aus Kultur und Freizeit verstärkt. Allein vier Hotelneubauten entstehen im Zuge des neuen Döppersbergs und belegen das wachsende Interesse an der Stadt und ihren Angeboten.

Darüber hinaus eröffnet 2018/19 ein Factory Outlet Center im klassizistischen Gebäude der ehemaligen Eisenbahndirektion – eine Attraktion, weil es sich als eines der wenigen FOC im Kerngebiet der Innenstadt befindet und eine denkmalgeschützte Architektur nutzt. Um diese Entwicklungen unter Beteiligung der Bürgern, der betroffenen Unternehmen und Institutionen gemeinsam voranzutreiben, werden gegenwärtig im Rahmen einer Innenstadtkonferenz die künftigen Qualitäten der Innenstadt diskutiert.
In dem spannenden Prozess bestätigen sich bereits die tragenden Gebiete und Achsen, über welche die Elberfelder Innenstadt ihre inhaltlichen und räumlichen Potenziale entfalten wird. Die eigentliche Altstadt Elberfelds soll sich über ein breites Handelsangebot und zunehmende Wohn- und Gewerbenutzungen im Dreieck Döppersberg, Neumarkt und Kasinokreisel mit attraktiven Straßenräumen entfalten.
Das Luisenviertel im Westen und die Hofaue im Osten erweitern diesen Kernbereich mit ihren eigenständigen Qualitäten, historischen Bezügen und Stadträumen. Das Luisenviertel bestätigt seine Identität durch einen inhabergeführten und individuellen Einzelhandel und die gastronomische Vielfalt einer kreativen Szene.
Die Hofaue war das international berühmte Textilhandelszentrum der Stadt. Noch heute prägen die großen Kontorbauten des 19. Jahrhunderts den Charakter der Straße, die sich in den vergangenen 20 Jahren als Viertel der kreativ tätigen Unternehmen etabliert hat. Vor dem Hintergrund des neuen Internationalen Tanzzentrums Pina Bausch an der Kluse wird sich die Hofaue zu einem wichtigen und repräsentativen Quartier entwickeln, das die fußläufige Wegebeziehung zwischen der Kulturinsel Kluse und dem Von der Heydt-Museum abbildet.
Alle Veränderungen zu einer neuen repräsentativen Mitte Wuppertals lassen sich ohne den Blick auf die Topografie und - damit einhergehend - die Mobilität nicht verstehen. Für das Tal der Wupper und seine Prosperität war es immer entscheidend, die Wegebeziehungen innerhalb der Stadt als wesentliche Funktionen zu berücksichtigen.
Die Nordbahntrasse erschließt Hinterhöfe und aktiviert Viertel
Vor allen Mobilitätsachsen, die sich in Ost-West-Richtung durch das Tal ziehen, muss daher die Schwebebahn genannt werden. Ihre Innovationskraft ist bis heute einzigartig und ihre Leistungsfähigkeit durch die Erneuerung von Tragwerk, Bahnhöfen und Waggons bis auf Jahrzehnte gegeben. Mit ihren modernen Qualitäten repräsentiert sie einen öffentlichen Personennahverkehr, dessen Leistungsfähigkeit beispielhaft für die Elektromobilität einer künftigen urbanen Gesellschaft steht.
Nicht weniger bedeutsam stellt sich die Nordbahntrasse auf den Nordhängen Wuppertals dar. Auf der Schienenanlage der ehemaligen Rheinischen Eisenbahnstrecke entstand in Zusammenarbeit zwischen Bürgern und Stadt ein Rad- und Fußweg, der heute auf über 20 Kilometern Länge parallel zur Talachse verläuft. Die Nordbahntrasse hat sich weit über die Freizeitfunktion hinaus entwickelt.
Sie erschließt die angrenzenden Hinterhöfe und urbanen Resträume seither als attraktive Vorderseite. Hieraus haben sich zahlreiche Impulse für die Quartiers- und Immobilienentwicklung ergeben und Initiativen zur Stadtteilaktivierung gegründet. Die Nordbahntrasse steht damit bundesweit beispielhaft als erfolgreiches Projekt einer urbanen Transformation, das Stadtraum, Mobilität, Ökonomie und bürgerschaftliches Engagement einbezieht.
Im Rahmen der Innenstadtkonferenz haben sich daher alle Beteiligten für die Entwicklung einer Rad- und Fußverbindung zwischen dem Mirker Bahnhof und dem Döppersberg ausgesprochen. Mit dieser diskutierten Nord-Süd-Verbindung über Historisches Rathaus, Karlsplatz, Kreuzkirche und Neue Friedrichstraße entsteht eine Wegeführung, die Rad, Schwebebahn, Bahn und Bus in optimaler Weise miteinander verbinden wird.
Die Stadt Wuppertal hat es sich mit den Entscheidungen für die Erneuerung der Innenstadt in den vergangenen 15 Jahren nicht immer leicht gemacht. Gemeinsam mit den zahlreichen bürgerlichen Initiativen und privaten Investitionen hat sich nun aber eine Situation ergeben, die für die kommende Entwicklung nicht glücklicher sein könnte.
Der neue Döppersberg mit seinem klassizistischen Ensemble aus Hauptbahnhof und Eisenbahndirektion, die Erneuerung der City, das Internationale Tanzzentrum Pina Bausch, die Kulturmeile in Barmen, der Skulpturenpark, das Von der Heydt-Museum und die Historische Stadthalle, die Nordbahntrasse, Universität und Junior-Uni, der Zoologische Garten und vieles andere kennzeichnen die Kraft der Stadt zur Veränderung. Sie legen die Grundlagen dafür, dass Wuppertal als Oberzentrum des Bergischen Landes im Dreieck zu Köln und Düsseldorf sich zu der attraktiven Stadt für junge Familien und Unternehmen entwickeln wird.